Strafverfügungen und Strafverfahren in der Schweiz
Das Strafverfahren in der Schweiz kann auf verschiedene Weise geführt werden. Nach Abschluss der Untersuchung (Vorverfahren) kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren etwa durch einen Strafbefehl, eine Anklageschrift oder durch Verfügung beenden (Einstellung oder Nichtanhandnahme).
Im Folgenden ein Überblick zu den wichtigsten Verfahrensschritten, zu den beteiligten Behörden und typischen polizeilichen Massnahmen.
Wie ein Strafverfahren beginnt
Ein Strafverfahren wird meist durch Anzeige oder durch polizeiliche Feststellungen ausgelöst. Jede Person kann eine Straftat der Polizei oder der Staatsanwaltschaft melden. Die Polizei nimmt die Anzeige auf, befragt Beteiligte und erstellt einen Rapport für die Staatsanwaltschaft. Bei schweren Delikten (z.B. Gewaltverbrechen) informiert die Polizei sofort die Staatsanwaltschaft, andernfalls klärt sie den Sachverhalt und leitet Berichte an die StA weiter. Auch eine Polizeikontrolle (z.B. Verkehrskontrolle) oder interne Hinweise (z.B. Geldwäscherei- oder Hinweis-Meldungen) können einen Strafverdacht ergeben und Ermittlungen nach sich ziehen.
Betroffene erfahren von den Ermittlungen auf folgende Weise:
Vorladung: Die Polizei oder Staatsanwaltschaft sendet (üblicherweise per Brief) eine Vorladung zur polizeilichen oder staatsanwaltlichen Einvernahme. Wird diese befolgt, kommt es zur Befragung. Wer eine schriftliche Vorladung erhält, muss erscheinen; andernfalls kann er durch die Polizei behördlich vorgeführt werden.
Hausdurchsuchung: Unter bestimmten Voraussetzungen erhält die Polizei oder StA einen richterlichen Durchsuchungsbefehl. Dann durchsucht sie Haus und Wohnung (oft frühmorgens) nach Beweismitteln und kann Gegenstände sicherstellen.
Telefonanruf oder andere Kontaktaufnahme: Selten kann es sein, dass die Behörde per Telefon oder E-Mail zunächst um eine Stellungnahme bittet, etwa um einen Termin zu vereinbaren.
Festnahme oder Sicherung: Wenn akuter Tatverdacht besteht, kann die Polizei eine Person vorläufig festnehmen und (wie bei einem Haftbefehl) zum Rapport führen.
Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz
Im Strafverfahren sind verschiedene Behörden involviert:
Polizei (Kantonspolizei, Stadtpolizei): Sie leitet meist die ersten Ermittlungen ein. Die Polizei nimmt Anzeigen entgegen, befragt Zeugen und Tatverdächtige, sichert Spuren und erstellt einen Ermittlungsbericht für die Staatsanwaltschaft. Bei akuten Fällen kann sie Personen vorläufig festnehmen (Polizeihaft) und Gegenstände sicherstellen. Die Polizei arbeitet eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen und führt oft deren Aufträge (Hausdurchsuchungen, Observationen, etc.) aus.
Staatsanwaltschaft: Sie leitet das Vorverfahren und entscheidet über den weiteren Verlauf. Die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt sammelt alle Beweismittel, befragt Beschuldigte und Zeugen und entscheidet, ob Anklage erhoben oder eine der Strafverfügungen erlassen wird. Sie kann der Polizei konkrete Ermittlungsaufträge erteilen und nötigenfalls Zwangsmassnahmen wie Untersuchungshaft oder Überwachungen beantragen. In jedem Kanton ist eine Staatsanwaltschaft für die Verfolgung von Verbrechen und Vergehen zuständig (z.B. im Kanton Zürich für Straftaten gegen Personen und Sachen). Bei weniger schweren Übertretungen (nur Busse) gibt es oft separate Behörden (Statthalterämter/Stadtrichter).
Jugendanwaltschaft: Für Täter unter 18 Jahren kommt das Jugendstrafrecht zur Anwendung. In jedem Kanton führen Jugendanwaltschaften (als Teil der Staatsanwaltschaft) die Strafverfahren gegen Jugendliche. Sie legen besonderen Wert auf Erziehungs- und Sanktionsmassnahmen, anstelle von Strafen wie bei Erwachsenen.
Bundesanwaltschaft (BA): Die Bundesanwaltschaft ist die Strafverfolgungsbehörde des Bundes. Sie übernimmt bestimmte Fälle (z.B. Terrorismus, organisierte Kriminalität oder Bundesdelikte). In diesen Fällen geht das Verfahren durch die BA statt durch die kantonale StA.
Gerichte: Erst im Hauptverfahren urteilt ein Gericht (z.B. Bezirksgericht, Obergericht oder Bundesgericht). Wird Anklage erhoben, findet in der Regel eine öffentliche Hauptverhandlung vor einem Richterkollegium statt. Auch bei Einsprache gegen einen Strafbefehl entscheidet ein Gericht als erstinstanzliche Instanzzh.ch. In der Rechtsmittelinstanz überprüfen höhere Gerichte (Ober- bzw. Bundesgericht) frühere Urteile.
Zusammengefasst erfolgt die Strafverfolgung in Stufen: Zuerst ermittelt die Polizei vor Ort, dann führt die Staatsanwaltschaft das Verfahren (Voruntersuchung) weiter. Bei minderjährigen Tätern schaltet sich die Jugendanwaltschaft ein. Bei schweren Fällen leitet die Bundesanwaltschaft, anschliessend fällt – sofern es zur Anklage kommt – ein Gericht das Urteil.
Strafrechtliche Zwangs- und Massnahmen
Im Verlauf des Strafverfahrens können Polizei und Staatsanwaltschaft verschiedene Handlungsmassnahmen anordnen, um den Sachverhalt zu klären. Wichtige Beispiele sind:
Polizeiliche Einvernahme: Verdächtigte Personen und Zeugen werden zu Vernehmungen vorgeladen. Die Befragung erfolgt typischerweise nach einer Vorladung oder – seltener – unmittelbar nach einer Festnahme oder Hausdurchsuchung. Beschuldigte haben das Recht zu schweigen und einen Anwalt beizuziehen. Die Polizei muss vor der ersten Einvernahme informieren, dass gegen die Person ein Verfahren läuft und welche Tatvorwürfe bestehen. Wer vorgeladen wird, muss erscheinen; bei Nichterscheinen kann die Polizei zur Vorführung schreiten.
Hausdurchsuchung und Beschlagnahme: Bei genügendem Verdacht kann die Staatsanwaltschaft (über das Gericht) eine Durchsuchung von Wohnung, Fahrzeug oder Firma anordnen. Die Polizei führt die Durchsuchung durch und kann dabei Beweismittel und Tatwerkzeuge sicherstellen. Beschlagnahmte Gegenstände (z.B. Computer, Drogen, Waffen) können als Beweise im Verfahren verwendet werden.
DNA-Probe: Bei schwerwiegendem Verdacht darf von der beschuldigten Person eine DNA-Probe (meist Wangenschleimhautabstrich) genommen werden. Sowohl die Polizei als auch die Staatsanwaltschaft dürfen die Anordnung treffen. Die Probe wird in einem forensischen Labor zu einem DNA-Profil verarbeitet. Der Beschuldigte kann gegen die Anordnung Widerspruch einlegen – dann entscheidet die StA in einer Verfügung, ob die Probe erhoben wird. Die betroffene Person hat weitere Rechte (Einblick in die DNA-Datenbank, Löschung des Profils, wenn sie als Täterin ausgeschlossen wird).
Untersuchungshaft: Wenn ein dringender Tatverdacht besteht und ein Haftgrund (z.B. Flucht-, Kollusions- oder Verdunkelungsgefahr) vorliegt, kann die Staatsanwaltschaft beim Untersuchungsrichter Untersuchungshaft beantragenzh.ch. Das Gericht prüft binnen 48 Stunden, ob die Haft nötig ist. Untersuchungshaft bedeutet, dass die Person bis zum Prozessbeginn in Haft bleibt.
Verdeckte Überwachung: In Ausnahmefällen sind heimliche Ermittlungsmaßnahmen erlaubt. Dazu gehört z.B. eine Überwachung von Telefongesprächen, E-Mails oder ein Observationsteam (Nachstellung). Diese Massnahmen sind sehr eingriffsintensiv und bedürfen einer richterlichen Bewilligung (Zwangsmassnahme).
Weitere Zwangsmassnahmen: Polizei und Staatsanwaltschaft können in der Untersuchung auch weitere Mittel einsetzen, etwa das Abhören von Telefongesprächen, Online-Überwachungen oder verdeckte Ermittler (V-Leute). All diese Schritte bedürfen strenger Rechtsgrundlagen und können von Betroffenen mit einer Beschwerde gerichtlich überprüft werden.
Die erwähnten Massnahmen dienen der Beweisfindung oder dem Schutz des Verfahrens und sind in der Schweizer StPO genau geregelt. Betroffene können sich gegen jede Zwangsmassnahme zur Wehr setzen (z.B. mittels Beschwerde) und haben bei jeder polizeilichen Befragung das Recht auf einen Anwalt